Wie alles begann....
- Sarah Morawietz
- 4. Okt. 2020
- 5 Min. Lesezeit
Wie bei vielen jungen Menschen, war es auch bei mir immer ein großer Wunsch einen eigenen Hund zu haben, einen treuen Begleiter mit dem man schöne Stunden in der Natur verbringt. Da meine Eltern nie diesen Wunsch mit mir teilten und ihnen die einhergehende Verpflichtung einer solchen "Anschaffung" bewusster war als mir, wurde mein jährlicher Geburtstagswunsch mit einem Kopfschütteln beantwortet.
Irgendwann stand der 18te Geburtstag an und meine Eltern waren der Meinung, dass ich nun alt genug sei, diese Verantwortung zu übernehmen. Nachdem meine Mutter inzwischen ihre massive Hundephobie überwunden hatte, wollte sie mich sogar bei dem Abenteuer Hund unterstützen. Ja, ein Abenteuer sollte es werden... Der Hund war kein Geburtstagsgeschenk, es wurde reichlich überlegt wo die Reise hingeht.
Letztendlich endschieden wir, ein netter, junger Hund aus dem Tierheim sollte es sein. Einer, der noch keine großen "Baustellen" hatte und für Laien wie uns geeignet war. Wir klapperten die Tierheime ab und wurden fündig, eine 7 Monate alte "Mischlingshündin" aus Griechenland sollte es werden. Sie begrüßte uns gemeinsam mit den anderen Hunden in ihrem Zwinger freudig, ging gerne mit uns spazieren und die nette Tierheimmitarbeiterin war sich sicher, dass damals "Rapunzel" gut zu uns passt. So kam die Hündin bei uns an und wir waren alle verliebt. Wir verbrachten viel Zeit draußen, brachten sie in Kontakt mit anderen Hunden, spielten mit ihr und sie bekam alles, was für ein glückliches Hundeleben (laut Haustierindustrie) von Nöten sei.

Ich wollte, dass mein Hund gut erzogen ist und wir so in unserer Umwelt glänzen oder zumindest nicht negativ auffielen. So las ich in Lektüren, brachte ihr schnell "Sitz, Platz und komm" bei und war begeistert wie schnell so ein Hund versteht was gewünscht ist. Umso enttäuschter war ich, als die Sachen nur noch funktionierten wenn ich den Futterbeutel dabei hatte, manchmal selbst dann nicht. Sie setzte sich nicht hin wenn ich es ihr sagte, sie ging stiften und reagierte auf den Rückruf nur wenn sie es wollte, sie begann an der Leine zu ziehen, zerlegte diverse Gegenstände in der Wohnung...
Ich gab ihr doch so viel, wieso tat sie nicht was ihr aufgetragen wurde? Waren meine Bemühungen nicht ausreichend? War meine Belohnung nicht gut genug ?
Uns wuchs die Sache über den Kopf und wir besuchten eine Gruppenstunde in der Hundeschule. Meine Leckerchen seien nicht die Richtigen erkläre man mir, Fleischwurst- und Käsestücke sollten es sein. So führte ich das Tier mit Wurst über Parcoure, ließ sie ihre bekannten Kommandos ausführen, (die auf dem Platz blitzschnell ausgeführt wurden) und ließ sie mit Artgenossen spielen. Die Dinge wegen denen ich eigentlich eine Hundeschule aufsuchte, blieben bestehen und weitere unschöne Verhaltensweisen kamen hinzu. So wurden Besucher zunehmend unfreundlich "begrüßt". Unsere Wohnung, das Auto und wir wurden ziemlich ernsthaft verteidigt und draußen zeigte sie auf "ihrer" Spazierroute fremden Hunden, dass diese hier nichts verloren hatten. Das anfängliche Ziehen an der Leine, glich nun dem Gezerre starker Männer die versuchen LKWs zu bewegen.
Der romantische Traum vom vierbeinigen Freund mit dem man gemeinsam über die duftende Blumewiese läuft war weit weg. Es kullerten regelmäßig Tränen und ich fühlte mich ohnmächtig. Ich wollte nicht, dass mein Hund so negativ in unserer Umwelt auffällt und war machtlos daran etwas zu ändern. Ich wollte es nochmal mit einem Fachkundigen Hundetrainer versuchen, und so landeten ich und der inzwischen 3- jährige "Terror Q- tips" bei einem Canis- Absolventen. Ich fühlte mich angenommen und er erklärte mir nüchtern, wertfrei und ungeschönt wo unser Hauptproblem lag. Meine Hündin hatte nie die Möglichkeit bekommen mich als Führungspersönlichkeit wahrzunehmen, wie auch, ist ihr unerwünschtes Verhalten doch nie mit einer Konsequenz einhergegangen. Wurde ihrem Betteln und Drängeln doch oft nachgegeben.

Wir arbeiteten also an unserer Beziehung, nahmen ein paar Einzelstunden und der gemeinsame Alltag wurde in vielerlei Hinsicht entspannter.
Ihr starkes Territorialverhalten blieb.
Die Jahre gingen ins Land, ich wurde Krankenpflegerin, zog bei meinen Eltern aus und machte Tags mit Lotta den Wald, nachts mit meinen Freundinnen die Diskos unsicher. Die Hündin war nun bedingt ableinbar, ging toll an der Leine und ließ sich durch mich besser "kontrollieren".
Ihr Territorialverhalten bleib.
Mein Interesse an dem Tier Hund, seinem Ausdrucks- und Lernverhalten wuchs und ich erinnerte mich an den Umgang des Canis Trainers mit meinem Hund und wie wir mit wenigen Veränderungen ihr Verhalten positiv beeinflussen konnten. Ich entschied mich für ein einwöchiges Praktikum bei Canis- Zentrum für Kynologie, um mehr über den Hund zu erfahren und keine Lektüre sondern fachkundige Trainer vor mir zu haben. Lotta kam mit und war über 20 Menschen & 30 Hunde in einem Raum not amused. Sie holte sobald ihre Individuelldistanz unterschritten wurde, dass Messer raus und wollte alle um sie herum abstechen. Wut, Scharm und Verzweiflung begleiteten mich den ganzen ersten Tag. Alle Augen waren immer wieder auf uns gerichtet, aber anstatt mit dem Finger auf uns zu zeigen, waren alle Canis Dozenten und viele Teilnehmer zur Stelle. Zeigten, erklärten, fühlten mit und spendeten Trost und Kraft. Dann fuhren wir heim, ich verlor literweise Tränenflüssigkeit und füllte mit genau soviel Wein wieder auf. Mit meinem Partner sprach ich über das Geschehene bis in die Nacht.
Am nächsten Tag fühlte ich mich, als wäre eine neue Ära angebrochen, ich wusste genau wo es hingeht. Wenige Dinge waren mir vorher in meinem Leben so klar wie an diesem Morgen. Ich will aus meiner Hündin und mir das bestmögliche "rausholen" und mir das Wissen aneignen, dass es braucht um Menschen in vergleichbaren Situationen wie meiner zu helfen. Ihnen helfen gar nicht erst in so eine Situation zu kommen. Die weiteren Tage des Praktikums sog ich alles auf wie ein Schwamm, meine Haltung, Sichtweise und Einstellung veränderte sich maßgeblich. Lotta verändert ihre Sichtweise und ihr Verhalten in diesen Tagen nicht, sie hasste alles und jeden. Madame Misanthrop.
Am Ende dieser Woche sagte Michael Grewe (Canis Mitbegründer & Inhaber) zu mir, dass er jedem Hundetrainer wünscht mal so einen Hund gehabt zu haben wie den meinen. Da ich immer in der Lage sein werde Emphatie und Verständnis für den Leidensdruck der Kunden zu haben, die in vergleichbaren Situationen leben. Recht hat er gehabt.
Das Canis Studium begann ich 2015 und eine furchtbar spannende, lehrreiche & anstrengende Zeit brach an. Neben dem Job in der Psychartrie regelmäßig quer durch Deutschland, meist in den Norden, um Seminar, Workshops und Praktika zu absolvieren. Ich vermisse diese Zeit.
Im Rahmen eines "Rassekunde" Seminars bei Gerd Leder zeigte ich ihm ohne Beschreibung ein Foto meiner Hündin. Seine blitzschnelle Reaktion darauf klingt immernoch in meinen Ohren: "das ist ein reinrassiger Herdenschutzhund den es in einer bestimmten Region Griechenlands gibt, gezüchtet um Herden zu bewachen, stark selbstständig, dicker Kopf." Krasser Typ - dachte ich und seitdem begann ich zu akzeptieren.

Einen Hund zu erziehen ist die eine Sache, seine Genetik verändern zu wollen eine andere. Im Sommer 2018 absolvierte ich erfolgreich meine Canis Abschlussprüfung und gründete - die Glücksköter-. Ich bin dankbar, dass mein Weg und der meiner Hündin sich gekreuzt haben, andernfalls wäre ich heute um so viel Erfahrung, Herausforderungen, Wissen & tolle Menschen in meinem Leben ärmer. Heute ist Lotta 11 Jahre alt, darf im einem gewissen Rahmen unser Viehzeug und Haus bewachen und wir haben einen gemeinsamen Weg für unseren Seelenfrieden gefunden.
Danke Canis, danke Frank, danke Lotta und alle die uns auf unserem Weg begleiten.
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